Sakramentar Heinrichs II.

Eine der bedeutendsten Handschriften des Mittelalters wurde vom späteren Kaiser Heinrich II. in Auftrag gegeben. Die reich mit Gold und Silber verzierten Miniaturen und ganzseitigen ornamentalen Texte spiegeln Heinrichs Autoritätsanspruch als »Herrscher im Hause Gottes« wider.

Fol. 14v/15r: Der aufgeschlagene Band zeigt den Schluss des Gebets Vere Dignum und das Sanctus als Zierseite sowie die Kreuzigung Christi.
Fol. 14v/15r: Der aufgeschlagene Band zeigt den Schluss des Gebets Vere Dignum und das Sanctus als Zierseite sowie die Kreuzigung Christi.

Ein Prachtcodex für einen heiligen Herrscher

Das Sakramentar Heinrichs II. ist einer der letzten Höhepunkte ottonischer Buchkunst. Noch als König hat der Urenkel des Begründers der sächsischen Kaiserdynastie dieses für den feierlichen Gebrauch im Gottesdienst bestimmte Buch in Regensburg in Auftrag gegeben.

Der Sohn Heinrichs des Zänkers, des streitbaren bayerischen Herzogs, war der letzte unter den an die Tradition Karls des Großen anknüpfenden Ottonen. Heinrich II. fühlte sich als »Herrscher im Hause Gottes« und er bezog, was nicht nur die beiden majestätischen Herrscherbilder in seinem Sakramentar bezeugen, seine Legitimität ausschließlich von Gott: »Alles was wir offenkundig besitzen werden oder besitzen, das haben wir von dem erhalten, der uns aus seiner Macht aus dem Nichts geschaffen und in Barmherzigkeit bis zu dem, was wir nun sind, herangeführt hat.« Das sind Worte, die Heinrich II. in den Mund gelegt wurden und die so ganz dem Geist eines Kaisers entsprachen, der sich als die direkte Exekutive Gottes auf Erden empfand. Die religiöse Ordnung sollte die einzige Richtschnur in seinem Reich sein.

Regensburg – Bamberg – München

Für welche Kirche oder welches Kloster dieses prachtvolle Sakramentar ursprünglich bestimmt war, das liegt auch heute noch im Dunkel der Geschichte. Sollte die Handschrift im Regensburger Dom gemeinsam mit dem Codex Aureus von St. Emmeram feierliche Messen begleiten oder sollte das Sakramentar als Messbuch in der Alten Kapelle, Heinrichs Hofkirche, die Liturgie bestimmen? Knapp 800 Jahre aber war der Kodex einer der bedeutendsten Schätze des Bamberger Doms und damit jenes Bistums, das Heinrich II. 1007 gegründet und prachtvoll mit wertvollsten Schätzen, darunter auch seinem Sakramentar, ausgestattet hatte. Die Gründung des Bistums Bamberg war eine der markantesten Leistungen Kaiser Heinrichs II. Durch reiche Stiftungen machte er es zu einem Zentrum der geistigen und kulturellen Entwicklung in Deutschland. Im Dom seines neuen Bistums fand das kinderlose Herrscherpaar dann auch seine letzte Ruhestätte. 1146 schließlich wurde Kaiser Heinrich II. heiliggesprochen. Erst mit der Säkularisierung gelangte das Sakramentar Heinrichs II. in die Münchner Hofbibliothek, wo es heute zu den wertvollsten Beständen dieser an Schätzen wahrlich nicht armen Sammlung gehört.

Das Sakramentar Heinrichs II. mit seinem großartigen Prachtdeckel ist eine der aufwendigsten und komplexesten Faksimile-Produktionen, die jemals realisiert wurde.
Das Sakramentar Heinrichs II. mit seinem großartigen Prachtdeckel ist eine der aufwendigsten und komplexesten Faksimile-Produktionen, die jemals realisiert wurde.

Prachtvoll wie eine Kaiserkrone

Nur kurze Zeit nach seiner Krönung im Mainzer Dom durch Erzbischof Willigis, dem wir auch dasGebetbuch Ottos III. (als Faksimile im Faksimile Verlag erschienen) verdanken, gab der Nachfolger des jung verstorbenen Kaisers den Auftrag zur Herstellung einer der bedeutendsten Bilderhandschriften des Mittelalters. Dem ostfränkischen König Heinrich II., als bayerischer Herzog noch Heinrich IV., standen mit den Künstlern des Regensburger Benediktinerklosters St. Emmeram die bedeutendsten Buchmaler seiner Zeit zur Verfügung.

Es sollte ein besonders aufwendiges Buch werden, das den Machtanspruch des späteren Kaisers eindrucksvoll unterstrich. An die 100 Schafe und Kälber mussten für die Herstellung des Pergaments der 179 Doppelblätter der Prachthandschrift – im vollendeten Buch sind das 718 Seiten – die Häute liefern. Wie viel Gold und Silber für die Miniatur- und Bildzierseiten, die Kalenderseiten, die Seiten mit den in Gold geschriebenen Hochgebeten und die Gold-Silber-Initialen bereitgestellt werden musste, lässt sich nicht berechnen, ganz zu schweigen vom Goldschmiedeeinband, der den materiellen Wert dieses Messbuches für den Herrscher noch betonen sollte.

Dieser Prachteinband aus vergoldetem Silberblech und einer wertvollen Elfenbeinplatte schützt ein Kunstwerk, dessen Text die Regensburger Schreiber mit 343 bis zu 15 cm hohen Initialen, 21 leuchtenden ideenreichen Seitenumrandungen und 14 Bildseiten versehen haben, Bildseiten, die bis heute einen Höhepunkt des künstlerischen Schaffens in Deutschland darstellen.

Liturgisches Buch und Kunstwerk

Wie alle Handschriften dieses Typs enthält das Sakramentar Heinrichs II. all jene Gebete, die während der heiligen Messe vom zelebrierenden Priester oder Bischof gesprochen werden. Diese reich mit Gold-Silberinitialen im ottonischen Stil ausgestatteten Texte folgen auf eine umfangreiche Sequenz von Bildern, ganzseitige ornamentale Texte und einen in Gold geschriebenen Kalender.

Die Bilderhandschrift beginnt wie ein Feuerwerk zum Auftakt eines großen Festes: Auf die Monatstafeln folgen ein Krönungsbild und ein Thronbild Heinrichs II., in denen das ganze Herrschaftsverständnis des letzten Sachsenkaisers im Bild umgesetzt wird. Neben anderen Prachtseiten wird auch Gregor der Große mit einem imponierenden Autorenbild geehrt. Nach einer abschließenden Seite mit dem Lamm Gottes beginnt erst das Sakramentar, das nun nicht mehr auf Kalbs- sondern auf feinem Schafspergament geschrieben und illuminiert wurde.

Fol. 11r: Krönungsbild Heinrichs II.
Fol. 11r: Krönungsbild Heinrichs II.

Der Prachteinband

Wie bei großen Herrscherhandschriften des Mittelalters üblich, sollten die feinen, mit Miniaturen und Initialen ausgestatteten Pergamentblätter mit dem Einband ein Gesamtkunstwerk bilden. Zwar wurde der Einband wahrscheinlich mehrfach verändert, doch kann vermutet werden, dass die einzelnen Elemente der Buchhülle schon zur Zeit des Entstehens mit dem Sakramentar verbunden waren, einem Sakramentar, das mit dem Codex Aureus von Sankt Emmeram aus der Hofschule Kaiser Karls des Kahlen stilistisch und funktional untrennbar verbunden ist.

Der Vorderdeckel zeigt ein großartiges, von Goldblech gerahmtes Elfenbeinrelief, das dieselben biblischen Geschehnisse darstellt, die auch in der Handschrift bildlich präsent sind: Die Kreuzigung und darunter das Geschehen am Ostermorgen mit den drei Marien am leeren Grabe.

Imponierend ist auch der Rückdeckel des Buches, der auf einer Silberplatte Papst Gregor den Großen beim Verfassen des Textes zeigt. Inspiriert wird er dabei vom Heiligen Geist, der ihm als Taube in das rechte Ohr zu flüstern scheint. Wie auch das Autorenbild im Inneren der Bilderhandschrift strahlt diese teils vergoldete Silberarbeit große Harmonie aus.

Das Faksimile – ein Sammlerstück und Kunstwerk

Die einmalige und vollständige Faksimilierung des Sakramentars Heinrichs II. erscheint in einer Auflage von nur 333 handnummerierten Exemplaren. Der Faksimileband umfasst insgesamt 718 Seiten im Originalformat von 29,5 x 24,2 cm. Die Blätter sind dem Original entsprechend randbeschnitten und wurden von Hand geheftet. Das Replikat des Originaleinbandes verdanken wir dem Museumsrestaurator André Glauser und von ihm beauftragten Spezialunternehmen.

Fol. 16r: Beginn des Gebets Te igitur. Geläufige Motive und Möglichkeiten der Verzierung setzte der Illuminator hier gleichzeitig ein, was diese Zierseite zum Höhepunkt des Codex macht.
Fol. 16r: Beginn des Gebets Te igitur. Geläufige Motive und Möglichkeiten der Verzierung setzte der Illuminator hier gleichzeitig ein, was diese Zierseite zum Höhepunkt des Codex macht.

Der Kommentarband

Namhafte Experten geben in anregenden und auch für den gebildeten Laien gut lesbaren Beiträgen Aufschluss über die Geschichte, die Funktion und den künstlerischen Gehalt des Sakramentars Heinrichs II. Der Kommentarband enthält Beiträge von Brigitte Gullath, München, Martina Pippal, Wien, Stefan Weinfurter, Mainz, und Erich Renhart, Graz.