Luzerner Chronik des Diebold Schilling

Die schönste Schweizer Bilderchronik aus dem 16. Jahrhundert illustriert umfassend das spätmittelalterliche Leben. Der Text tritt hinter den großzügigen Illustrationen zurück, die in Farbenpracht und einer Fülle von Motiven das politische, gesellschaftliche und religiöse Leben der Zeit wiedergeben.

Fol. 132v/133. Links: Ansicht Sitten; rechts Wertenberg huldigt dem Luzerner Vogt.
Fol. 132v/133. Links: Ansicht Sitten; rechts Wertenberg huldigt dem Luzerner Vogt.


Bilderreiche Quelle Eidgenössischer Geschichte

Die schönste aller Bilderchroniken

Die Luzerner Chronik des Diebold Schilling aus dem Jahr 1513 gilt als schönste alte Bilderchronik der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Sie ist ein bedeutender Spiegel des politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und religiösen Geschehens einer Stadt und eines Landes im Mittelalter.

Chroniken – bedeutende Werke des 15. und 16. Jahrhunderts

Aufwendig gestaltete Bilderchroniken sind kennzeichnend für das ausgehende 15. Jahrhundert. Sie sind nicht selten in fürstlichem Auftrag entstanden, sie finden sich jedoch vor allem im bürgerlichen Umfeld der politisch und wirtschaftlich erstarkten Städte.

Wohlstand und Selbstbewusstsein der Stände spiegelten sich damals nicht nur in repräsentativen profanen und kirchlichen Bauten, sondern auch in der Herausgabe von Chroniken, die der Nachwelt das Zeitgeschehen in Wort und Bild überliefern sollten.

Unter ihnen ist die Luzerner Chronik bezüglich der Reichhaltigkeit ihrer Bildaussagen über das Spätmittelalter unübertroffen. Ihr Wert liegt vor allem in der umfassenden Darstellung des Lebens der damaligen Zeit; alles wird wirklichkeitsgetreu wiedergegeben und im Text genau beschrieben. Politisches, gesellschaftliches, wirtschaftliches und religiöses Leben wird hier präsentiert. So bildet die Chronik eine Fundgrube für jede historische Disziplin.

Luzerner Chronik des Diebold Schilling- Faksimile
Luzerner Chronik des Diebold Schilling- Faksimile

Die Ausstattung der Chronik

Der in spätmittelalterlicher Bastarda-Schrift abgefasste Text tritt klar hinter den großzügigen Deckfarbenbildern zurück. Die Illustrationen geben sich in Zahl, Stil und Ausführung als etwas Besonderes zu erkennen. Im Ganzen sind es nicht weniger als 443 Seiten mit Bildern, die zwischen Hoch-, Quer- und quadratischem Format wechseln; dazwischen befinden sich immer wieder doppelseitige Illuminationen.

In satter Farbenpracht, mit festem Federstrich schwarz konturiert, begegnet uns eine geradezu überquellende Fülle von Menschengestalten, Bauten und Landschaftsmotiven jeder Art. Die bildhafte Wirkung wird durch vorgetäuschte Rahmen mit gotischer Holzprofilierung oder Maßwerk, Bandrollen, Ranken oder Umschriften unterstrichen.

Der Text der Handschrift beschreibt die Geschichte der Eidgenossenschaft von den Anfängen bis 1513. Angesprochen wird vor allem die jüngere Geschichte, also die Zeit zwischen 1474 und 1513. Zur Debatte stand vor allem die Söldnerfrage, das Verhältnis der Eidgenossen zu den Großmächten und zu Kaiser und Reich.

Zwei verschiedene Maler

An der künstlerischen Ausstattung des Werkes waren zwei Maler beteiligt. Die Diebold Schilling zugewiesenen Bilder sind naiver, genauer gehalten und zeichnen sich durch kräftigere Farben aus. Sie zeugen noch vom gotischen Einschlag spätmittelalterlicher Miniaturmalerei traditioneller Prägung.

Der zweite Meister ist unbekannt geblieben. Seine Bilder sind in helleren Tönen gehalten. Die Pinselführung zeugt von größerer Routine und ist bereits durch die Renaissance beeinflusst.

Die Handschrift wurde 1577 in einen Schweinsledereinband gebunden, der mit einer Prägung im Stile der Spätrenaissance versehen ist.

Fol. 22r: Synoptische Darstellung des Ritualmordes an einem Knaben durch die Juden in Dießenhofen und ihre Bestrafung im ganzen Schwa­benland.
Fol. 22r: Synoptische Darstellung des Ritualmordes an einem Knaben durch die Juden in Dießenhofen und ihre Bestrafung im ganzen Schwa­benland.

Der Meister: Diebold Schilling

Der um 1460 geborene Diebold Schilling bekam den Anreiz zu seiner späteren Tätigkeit gleichsam mit in die Wiege gelegt. Vater und Onkel gleichen Namens (der Onkel übrigens war der Verfasser der berühmten Burgunderchronik und der Spiezer Chronik) erlernten in der berühmten Lauberschen Schreibstube in Hagenau die Kunst des Schreibens.

Der Onkel, der zuerst dieselbe Luzerner Kanzleistelle übernahm, in der ihn später Diebold Schillings Vater ablösen sollte, wurde im Dienst der Berner Regierung deren offizieller Chronist.

Der junge Diebold Schilling widmete sich zunächst dem Studium des Kanonischen Rechts in Basel und später in Padua. 1479 war er als offizieller Notar wieder in Luzern tätig und bereitete sich auf ein Leben im geistlichen Stand vor.

Sein Lebenswandel allerdings scheint nicht zu dieser Laufbahn zu passen: Raufhändel und Injurienprozesse zeichnen seinen Weg.

Dienstnehmer verschiedener Herren

1497 wird er Dolmetscher eines Mailänder Gesandten, später Agent des Herzogs von Mailand. Vorübergehend stand er danach im Dienste Kaiser Maximilians, dann wandte er sich wieder den Sforzas in Mailand zu.

In diese Periode fällt auch die Abfassung der Chronik, die vermutlich im Auftrag der Luzerner Obrigkeit erfolgt ist. Im Jahr 1513, nach mehrjähriger Arbeit, überreichte er das vollendete Werk dem städtischen Rat in feierlicher Sitzung. Das erste Bild der Chronik stellt dieses denkwürdige Ereignis dar.

Danach versiegen die Quellen. Wann Diebold Schilling starb, ist ungewiss – ­ vermutlich irgendwann zwischen 1515 und 1522.

Fol. 191r: Luzern, 26. Mai 1499: von der Reußbrücke aus wurde ein Drache gesehen. Im Elsass wurde ein Stierkopf mit einem Stern zwischen den Hörnern gesehen.
Fol. 191r: Luzern, 26. Mai 1499: von der Reußbrücke aus wurde ein Drache gesehen. Im Elsass wurde ein Stierkopf mit einem Stern zwischen den Hörnern gesehen.

Die Faksimile-Edition

Die Handschrift im Format von 39,5 x 28,5 cm wurde originalgetreu faksimiliert. Sämtliche 680 Seiten wurden unter Verwendung von Gold- und Silberauflage reproduziert.

Neben den 443 illustrierten Seiten wurden auch die 237 Textseiten originalgetreu faksimiliert. Der Einband besteht aus geprägtem Leder und ist, getreu dem Original, mit Messingbeschlägen, Mittelrosetten und Schließen versehen. Alle Doppelblätter wurden von Hand auf sechs echte Bünde geheftet.

An Ober- und Unterseite wurde das Kapitalband mit blauem und weißem Hanf handumstochen.

Der Kommentarband

Der wissenschaftliche Kommentarband führt in die Geheimnisse der Handschrift ein. Er enthält neben der vollständigen Transkription des Textes Kommentare sowie historische und kunsthistorische Interpretationen der Handschrift und ihres Umfeldes. Außerdem ist jede einzelne Bildseite der Chronik nochmals schwarzweiß in verkleinerter Form reproduziert sowie beschrieben.

Folgende Experten haben sich eingehend mit der Handschrift und ihrem Umfeld beschäftigt: Dr. Peter Rück, Prof. Dr. Gottfried Boesch, Prof. Dr. Carl Pfaff, Prof. Dr. Pascal Ladner, Prof. Dr. Eduard Studer und Prof. Dr. Alfred A. Schmid.

Fol.278r: Luzerner Söldner schiffen sich beim Hoftor unter einer Freifahne ein, um in französische Dienste zu ziehen.
Fol.278r: Luzerner Söldner schiffen sich beim Hoftor unter einer Freifahne ein, um in französische Dienste zu ziehen.