Deutsches Gebetbuch der Markgräfin von Brandenburg

Dieses Gebetbuch in deutscher Sprache wurde 1520 im Auftrag der Markgräfin Susanna, der Nichte Kaiser Maximilians, von Narziss Renner in Augsburg geschaffen. Die Handschrift, ein Feuerwerk an Farbe und Gold, besticht durch ihren sehr persönlichen Charme.

 

Fol. 29v/30r: Der Einzug in Jerusalem. In der unteren Randleiste balgen sich sieben Putten – vielleicht um das Vorrecht, den Palmesel berühren zu dürfen (wovon man sich Vergebung der Sünden erhoffte)?
Fol. 29v/30r: Der Einzug in Jerusalem. In der unteren Randleiste balgen sich sieben Putten – vielleicht um das Vorrecht, den Palmesel berühren zu dürfen (wovon man sich Vergebung der Sünden erhoffte)?

Ein Festliches Feuerwerk In Farbe  Und Gold

Blüte spätgotischer Buchmalerei aus Süddeutschland

Mitten in der bewegten Zeit von Renaissance und Humanismus entstand im Jahre 1520 in Augsburg ein verschwenderisch ausgestattetes, dabei sehr intimes Gebetbuch in deutscher Sprache. Die Fuggerstadt war zur damaligen Zeit nicht nur ein wichtiger Handels- und Finanzplatz, sondern auch eines der bedeutenden Zentren der deutschen Buchmalerei. Auftraggeber des Gebetbuches waren Kasimir, Markgraf von Brandenburg-Ansbach und dessen Gemahlin Susanna von Bayern, deren beider Porträt und Wappen die Handschrift schmücken. Markgräfin Susanna war die Nichte Kaiser Maximilians, der zeit seines Lebens als großzügiger Mäzen auftrat und mit Dürer, Cranach und Holbein einige der größten Künstler Europas mit Aufträgen versah.

Feuerwerk aus Farben und Gold

Vermutlich geschah es im Rahmen der Hochzeitsfeier von Kasimir und Susanna während des Augsburger Reichstages 1518, bei der übrigens Kaiser Maximilian als Brautführer auftrat, dass dieses außergewöhnliche Gebetbuch in Auftrag gegeben wurde. In kostbaren Farben erstrahlende Miniaturseiten, üppiger Bordürenschmuck auf leuchtendem Goldgrund und zahlreiche mehrzeilige goldene Zierinitialen auf rotem oder blauem Grund entfachen auf den 189 Blättern ein wahres Feuerwerk in Farbe und Gold.

Doch besticht die Handschrift nicht allein durch den verschwenderischen Ausstattungsreichtum, sondern beinahe mehr noch durch ihren sehr persönlichen Charme. Obschon für eine Fürstin geschaffen, bezaubert das Gebetbuch durch eine Fülle liebenswerter Details aus der privaten Lebensumgebung Susannas, die in dieser Art nur auf ihren direkten Wunsch hin ausgeführt werden konnten.

 

Deutsches Gebetbuch der Markgräfin von Brandenburg- Faksimile
Deutsches Gebetbuch der Markgräfin von Brandenburg- Faksimile

Susannas Lebenswelt in ihrem Gebetbuch

Die facettenreiche Ausstattung des Gebetbuches zeigt eine Fürstin, für die sich Frömmigkeit und Lebensfreude nicht ausschlossen. Adligen Vergnügungen wie der Jagd ist sogar eine ganzseitige Miniatur gewidmet, die wohl auf einen Vorfall während der Hochzeitsfeierlichkeiten anspielt, als ein von der Meute gehetzter Hirsch in einem Wassergraben ertrank. Herumtollende Putten wirken wie ein Sinnbild unbeschwerter Lebensfreude und erinnern an ausgelassene Festgesellschaften. Daneben finden sich locker in den reichen Bordürenschmuck gestreut kleine Vögel, Hunde, ein Nymphensittich im Käfig und Mitglieder des Hofstaates, zum Beispiel ein Zwerg, der einen zahmen Raben füttert.

Farbenfrohe Bilder der Volksfrömmigkeit

Doch auch die Auswahl einzelner religiöser Motive und die Abfassung der Gebete in der Volkssprache deuten auf eine starke persönliche Einflussnahme Susannas. Dies zeigt sich in der intensiven Verehrung lokaler Heiliger aus dem süddeutsch-fränkischen Raum und der Anrufungen des Schutzengels und der Muttergottes. Jedes Gebet wird durch eine ganzseitige Abbildung des jeweiligen Heiligen eingeleitet, dabei führen allein 28 der 47 eindrucksvollen Miniaturen durch Vita und Passion Christi.

 

Fol. 6r: Gebet zum eigenen Schutzengel
Fol. 6r: Gebet zum eigenen Schutzengel

Narziss Renner – Künstler zwischen Tradition und Moderne

Wohl während der Hochzeit beauftragte Susanna den Augsburger Künstler Narziss Renner mit der Ausstattung ihres Gebetbuches. Renner muss den Geschmack der Fürstin genau getroffen haben, wie sonst hätte sie dem gerade einmal 18-jährigen Buchmaler ihr persönliches Gebetbuch anvertraut? Ihre Wahl wird verständlich angesichts des Ideenreichtums und der unverbrauchten Natürlichkeit im schöpferischen Ausdruck Renners. Das kreative Potential des jungen Künstlers wird durch die höchst eigenständige Rezeption malerischer und druckgraphischer Vorlagen zusätzlich unterstrichen. Die Verwendung prominenter Vorlagen war damals weit verbreitet, doch nur wenige erreichten die Qualität der Altmeister oder konnten diese übertreffen.

Einige Miniaturen im Gebetbuch der Markgräfin von Brandenburg gehen eindeutig auf Vorlagen Burgkmairs oder Cranachs zurück. Daneben zeigt sich besonders deutlich Renners große Affinität zum Werk des Regensburger Holzschneiders Albrecht Altdorfer. Renner setzte sich so intensiv mit dem Meister der Donauschule auseinander, dass er ihn an Dramatik der Naturwiedergabe stellenweise noch übertrifft.

Bordürenschmuck aus ganz Europa

Ein besonderer Reiz der Handschrift liegt in dem Nebeneinander dreierlei verschiedener Bordürenarten: Insgesamt 214 Bild- und Textseiten werden von flämisch, italienisch oder deutsch inspirierten Bordüren eingefasst. Am häufigsten begegnen dabei die flämischen Streublumenbordüren. Die leuchtenden Farben der locker verteilten, farbenfrohen Blüten, Früchte und kleinen Tieren kommen auf dem spiegelndem Goldgrund besonders zur Geltung.

Daneben stehen Randleisten im Stil der italienischen Renaissance mit antikisierendem Formenrepertoire. Füllhörner, Atlanten und Grotesken werden durch schwarze Umrandung aus dem Blattgoldgrund herausgehoben. Schließlich schmücken Akanthusranken mit Goldpollen im Stil der Augsburger Gotik einige Seiten. Diese ältere Schmuckform geht vermutlich auf die Mitarbeit von Renners Vater zurück.

 

Fol. 42r: Eine fürstliche Hirschjagd. Die Dame im gelben Mantel mit der Armbrust könnte Susanna von Brandenburg darstel­len, der Reiter am linken Bildrand Markgraf Kasimir.
Fol. 42r: Eine fürstliche Hirschjagd. Die Dame im gelben Mantel mit der Armbrust könnte Susanna von Brandenburg darstel­len, der Reiter am linken Bildrand Markgraf Kasimir.

Die Faksimile-Edition

Das Gebetbuch der Markgräfin von Brandenburg ist in einer limitierten Auflage von 980 Exemplaren erschienen. Alle 378 Seiten des mit Goldschnitt versehenen Gebetbuches werden im Originalformat von 15,2 x 10,8 cm detailgetreu reproduziert. Jeweils vier Zierknöpfe und ein in Silber gefasstes Medaillon mit dem bayrischen Wappen schmücken den Vorder- und Rückdeckel der in schwarzes Veloursleder gebundenen Handschrift.

Der Kommentarband

Kunstgeschichtliche Untersuchung durch Ulrich Merkl und codicologische Erschließung von Ute Obhof aus der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe. Alle Texte sind von Michaela Neidl transkribiert. Faksimile- und Kommentarband werden in einem schützenden Acrylglasschuber geliefert.

 

Fol. 36v: Die Gefangennahme
Fol. 36v: Die Gefangennahme