Blätter im Louvre

Das Turiner Gebetbuch war der dritte Teil der ursprünglichen Einheit der Très Belles Heures des Herzogs von Berry. 1720 verbrannte es bis auf vier besonders prachtvolle Blätter, die heute im Louvre liegen.

Das Portfolio mit den vier verbliebenen Blätter aus dem verbrannten Turiner Gebetsbuch.
Das Portfolio mit den vier verbliebenen Blätter aus dem verbrannten Turiner Gebetsbuch.

Und Das Verlorene Turiner Gebetbuch

Großprojekt des Herzogs von Berry

Von der Zeit des Herzogs von Berry bis in die Epoche der Brüder van Eyck spannen die fünf Miniaturen des Louvre auf unvergleichliche Weise einen Bogen.

Nur ein Codex ist bekannt, der solche Gegensätze verband und beide großen Momente in der Geschichte der spätgotischen Kunst gleichermaßen barg: das monumentale Projekt der Très Belles Heures des Herzogs von Berry, das der Buchkunst, aber auch der neuzeitlichen Malerei überhaupt neue Impulse vermittelte.

Die vier Blätter im Louvre sind die Reste des dritten Teils dieser außerordentlichen Handschrift, deren andere Teile, die Très Belles Heures de Notre-Dame und das Turin-Mailänder Stundenbuch, ebenfalls im Programm des Faksimile Verlags zu finden sind.

Eine Geschichte wie ein Roman

Auch dieser dritte Teil des Riesenprojektes des Herzogs von Berry hat eine äußerst bewegte Geschichte.

Er gelangte vom Haus Savoyen 1720 in die Turiner Bibliothek. Die vier Blätter, die sich heute im Louvre befinden, waren zu dieser Zeit bereits aus dem Codex entfernt worden, vermutlich wegen ihrer besonders prachtvollen Ausführung. Wann es genau zum Diebstahl kam, ist völlig unbekannt.

Aus heutiger Sicht war dieser Diebstahl jedoch segensreich, denn im Januar 1904 wurde der herrliche Codex beim Brand der Turiner Bibliothek völlig zerstört; nur die vier Blätter, die sich seit dem 19. Jahrhundert im Louvre befanden, haben bis heute überlebt.

Zum Glück hatte Paul Durrieu zwei Jahre zuvor die Bildseiten in Schwarzweiß ediert, so dass wir uns heute eine gewisse Vorstellung von der Pracht und künstlerischen Güte der Miniaturen machen können. Noch im Jahr 1725 war ein weiteres Blatt aus der heute verlorenen Handschrift extrahiert worden, von dem sich bis heute keine Spur mehr gefunden hat.

 

Blätter im Louvre - Faksimile
Blätter im Louvre – Faksimile

Das verlorene Gebetbuch – ein Höhepunkt der Kunstgeschichte

Das verlorene Gebetbuch umfasste 93 Blätter, darunter 40 aufwendige Bildseiten. Es barg eine erstaunliche Fülle ungewöhnlicher Gebete. Einige der Miniaturen waren schon von den Themen her einzigartig, weil sie den Rahmen der Heiligengeschichten sprengten, die Stundenbücher sonst prägten.

Zeitgeschichtliche Bezüge wurden von den Malern zu einer Zeit verlangt, als man Kunst und Gegenwart noch streng voneinander schied. In den Miniaturen ist eine erstaunliche Fortschrittlichkeit festzustellen: In kurzer Zeit hatte ein unbegreiflicher Wandel in der Kunst stattgefunden; erst Simon Bening schuf etwa 100 Jahre später wieder ähnliche Formen der Buchmalerei. Die Darstellungen, die Paul Durrieu zwei Jahre vor dem Brand in Schwarzweiß-Heliogravüren herausgegeben hatte, sind in einer Broschüre wiedergegeben, die der Edition beiliegt. Die Bilder lassen die Pracht und den Glanz der verbrannten Miniaturen erahnen.

Die vier Blätter im Louvre

Die vier Einzelblätter, die sich heute unter der Signatur RF 20222025 im Musée du Louvre befinden, gehörten zu den schönsten Seiten des verbrannten Codex; schon allein ihr Diebstahl beweist es. Auf den vier Blättern befinden sich fünf Miniaturen, die sozusagen eine Zusammenfassung des Gesamtwerkes darstellen.

Blatt RF 2022 zeigt gleich eine Kombination zweier Stile: Die Hauptminiatur, eine Darstellung Gottvaters, stammt vom Paramentenmeister, während die Initiale der eyckschen Schule zugewiesen wird.

Blatt 2023 weist zwei Miniaturen auf; auf der Vorderseite Martyrien, auf der Rückseite Bekenner, beide durch den Meister Johannes’ des Täufers ausgeführt, während Initialen und Zierleisten wiederum der Umgebung Jan van Eycks zugerechnet werden.

Folio RF 2024 zeigt Maria und Johannes und wird dem Paramentenmeister zugeschrieben.

Blatt RF 2025 schließlich, mit Gottvater, Christus als Schmerzensmann und Maria, ist ganz ein Werk der eyckschen Schule. Somit findet sich in diesen vier Blättern die ganze Entwicklung der Buchmalerei während eines halben Jahrhunderts repräsentiert.

 

RF 2024: Maria und Johannes als Fürbitter und Zeugen der Erlösungs­tat Christi. Die ganze Bildseite ist typisch für den Weichen Stil des Meisters des Paraments von Narbonne.
RF 2024: Maria und Johannes als Fürbitter und Zeugen der Erlösungs­tat Christi. Die ganze Bildseite ist typisch für den Weichen Stil des Meisters des Paraments von Narbonne.

Die Faksimile-Edition

Das Faksimile-Portfolio enthält die fünf Miniaturen auf vier Blättern, die im Originalformat von 26,8 x 17,3 cm faksimiliert wurden und in Passepartouts präsentiert sind.

Die Auflage ist weltweit auf 980 Exemplare limitiert. Die Broschüre zum verbrannten Teil besteht aus 40 zusätzlichen Schwarzweiß-Abbildungen des verlorenen Turiner Gebetbuches.

Der Kommentarband

Der wissenschaftliche Kommentarband umfasst 207 Seiten und ist zweisprachig (deutsch/französisch).

Darin erläutern folgende Experten die Handschrift: Prof. Dr. Eberhard König, Freie Universität Berlin, Dr. Gabriele Bartz, Angelo Giaccaria und François Huot O.S.B.

Die vier Blätter, die Broschüre und der Kommentarband werden in einer Leinenkassette geliefert.

Fol. 55v des verbrannten Turiner Gebetbuches (Jan oder Hubert van Eyck): Das Wunder der Heiligen Julian und Martha.
Fol. 55v des verbrannten Turiner Gebetbuches (Jan oder Hubert van Eyck): Das Wunder der Heiligen Julian und Martha.